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Investieren als Teil Deines Lebens(-entwurfs)

Autor: The Dividend Post (Clemens)
8 Februar 2022

Ist der Titel “Investieren als Teil Deines Lebens” nicht übertrieben? Das sehe ich isoliert betrachtet anders. Im Rahmen einer losen Beitragsserie names "Investor View" weiche ich meinen gewohnten Fokus auf das Investieren in Dividendenwachstumswerte auf. Ich möchte mich ganzheitlich – oder wichtiger klingend „holistisch“ – dem Spektrum Investieren eingebettet in das eigene Lebenskonzept widmen und erläutern, was das für mich bedeutet und was ich konkret darunter verstehe.

„Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie“

Viktor Frankl, von dem übrigens dieses berühmte Zitat stammt, durchlebte in seinem Leben unglaublich schwere Schicksalsschläge. Aus seinen unvorstellbaren Erfahrungen in den Konzentrationslagern während der NS-Diktatur widmete sich der Wiener Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse der Frage nach dem Sinn des Lebens.

Wenn ich versuche den Bogen in die Gegenwart zu spannen, dann fallen mir spontan die teilweise künstlich wirkenden „purpose-driven organisation“ ein, von denen die HR-Manager (heute: Chief People Officers) daher schwadronieren. Bis aufs weitere blende ich geflissentlich den Marketing-Sprech der systemischen Unternehmensberater von „Mehr Purpose Drive braucht die Welt!“ aus 😊

Nun kann ich im Kern der Diskussion um das allgemeine „Warum“ sehr viel Positives abgewinnen. Ich beschäftige mich als Investor angesichts der limitierten Zeit doch recht ausgiebig mit interessanten Unternehmen und der damit verbundenen aktuellen Berichterstattung und zugrundeliegenden Kennzahlen. Sehr viel Mikro und mittendrin im operativen Segment.

Bestenfalls folgt dieses Werken auf der operativen Ebene einer übergeordneten strategischen Leitlinie bzw. -linien. Rufen wir uns in Erinnerung: keine noch so ausgefranste, bis ins kleinste Detail definierte Strategie an der Börse funktioniert per se in jeder Marktphase! Ich verstehe die Strategie beim Investieren (und darüber hinaus) als eine strukturierte Vorgehensweise um eigens gesteckte Ziele zu erreichen. Diese können quantitativen oder qualitativen Charakter haben – ich neige vor allem zu letzterem.

Diese drei Elemente – operative Aktivitäten, Strategien und Ziele – sind, um im Branchenjargon zu bleiben, für mich nichts anderes als Derivate meines persönlichen Lebensentwurfs. Sie liefern die Antworten auf das „Wie“, wenn bereits die abstrakte Frage des „Warum“ mit den individuellen Antworten ausformuliert ist. Wohl niemand investiert nur um des Investierens willen. Auch das vortreffliche Argument „Weil ich in Zukunft keine staatliche Rente (österreichisch: Pension) mehr bekomme“ mag zwar eine Motivation für den Vermögensaufbau sein, dient aber nur unzureichend als Quelle für die Beantwortung des „Warums“. Frage Dich einmal, welche Vorstellungen Du für die Zeit im Ruhestand hast? Wie valide können Deine Annahmen für diese für die meisten Leser weit in der Ferne liegende Zukunft sein?

Investieren Lebensentwurf

Du siehst: das Entwickeln eines Entwurfs Deines Lebens unterliegt nur teilweise einer gewissen Planbarkeit. Wie setze ich das Ganze in der Realität um? Ich habe mir tatsächlich ein paar Gedanken auf einem Blatt Papier festgehalten und Zieldimensionen daraus definiert, woraus sich wiederum einzelne Fokusgebiete ableiten lassen:

  • Familie & Partnerschaft
  • Gesundheit
  • Freundschaften & soziales Umfeld
  • Berufung & Handwerk
  • Lernen

Diese sehr groben, generisch zusammengefassten Fokusgebiete sind Bestandteil meines individuellen Warums und genießen allesamt erste Priorität. Was diese Fokusgebiete verbindet:

  • ergeben für mich Sinn
  • ich erachte es als sinnvoll, sie mit erstrebenswerten Zielen zu versehen
  • sie bestimmen prioritär meinen Energieeinsatz im Sinne von Lebenszeit

Wie ich unterschiedliche Aufgaben in der operativen Hektik des Lebens gerade umsetze, ordnen sich diese Aktivitäten (meist) einem strategischen Überbau unter. Diese Strategien erklären wiederum wie ich gedenke diese Aufgaben am wirkungsvollsten zu realisieren. Schlussendlich umfasst der Lebensentwurf ein solides Fundament aus konkreten Prinzipien und bestimmt im Wesentlichen als Orientierungsgeber die Fahrrichtung.

Du erkennst, dass in diesem holistischen Konzept das Investieren auf den ersten Blick keine explizite Rolle spielt. Gleichwohl stellt das Investieren einen für mich bedeutsamen strategischen Weg dar, um eine progressive Wirkung (neudeutsch: Impact) in den einzelnen Fokusgebieten zu erzielen. Das denkbar einfachste Beispiel ist das Gewinnen von mehr frei einteilbarer Lebenszeit bei gleichzeitiger Reduktion der Arbeitszeit, um beispielsweise mehr Zeit für die Familie, Freunde und/oder beim Sport zu allokieren. Jetzt bekommt das ganze Gerede von „holistisch“ hoffentlich ein Gesicht und macht es greifbarer. Ich möchte damit zum Ausdruck bringen, dass wir uns durchaus einigen essentiellen Fragen stellen sollten, wenn wir uns im Kontext von Investieren einem vermeintlich rationalen Thema widmen. Uns selbst zu kennen und unsere Erwartungen, die im idealen Fall mit unserem Handeln als langfristig-orientierte Investoren rückkoppeln, anhand der Warum-Frage in einem Lebensentwurf konzeptionell festzuhalten, erachte ich als sinnvolle Primäraufgaben.

An dieser Stelle sei der adaptive Charakter dieses Prozesses zu betonen. Nichts ist für die Ewigkeit. Wir wachsen in steter Kontinuität oder ad-hoc in neue Rollen in unserem Leben hinein. Am eigenen Leib durfte ich bis heute erfahren ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Sohn, Bruder, Vater, Onkel, Lebenspartner, Ehemann, Schwiegersohn, Freund,… es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess der Reflexion. Rufen wir uns in Erinnerung: keine noch so ausgefranste, bis ins kleinste Detail geplante Strategie funktioniert per se in jeder Lebensphase!

Einiges an Literatur befasst sich in unterschiedlicher Qualität mit diesem breiten Themenkreis. Manche Autoren betonen stärker den Aspekt des Ziele-Setzens, andere das Zeit- und Task-Management oder ähnliches. Meiner bescheidenen Meinung nach ist das alles kein großer Hokuspokus, der mit akademischer Etikette beworben werden muss. Im weiteren Verlauf dieser Serie werde ich auf die bereits oben erwähnten Elemente wie Strategie, Ziele und der operativen Ebene eingehen und mich in diesem Zusammenhang auch anderen Aspekten im Detail widmen. Ganz holistisch also 😊

Bleibt mir nur noch zu sagen: Auf eine prosperierende Investmentkultur und vielen Dank für Deinen Besuch auf Dividend Post!


Warum investiert ihr eigentlich? Ich freue mich auf eure Kommentare.


2 Kommentare wurden geposted.
12. Februar 2022 16:58 - Jens  

Danke für die Fragestellung, Clemens. Das ist gut. Manchmal antworten Freunde: "Na um reich zu werden." Dann sage ich: "Ach das habe ich schon geschafft." Dann sind sie erstaunt und irritiert. Denn ich fahre Astra, hab keine Firma, wohne zur Miete und habe keine Luxussachen und vielleicht liquides Eigenkapital von ca. 50.000 €. Viele sagen: "Das ist doch nicht reich." Aber: aufgrund meines aktiven Einkommens als Angestellter kann ich mir, wenn ich etwas sehe, es einfach kaufen. Ich muss mich nicht zurückhalten, kann meine Familie ernähren, etwas zurücklegen. Wenn ich online Technik sehe, meiner Frau etwas schenken möchte oder mein Sohn im Geschäft Spielzeug entdeckt, kann das alles sofort und ohne große Sorgen gekauft werden. Das ist für mich Reichtum. Ich war als Student anders ausgestattet und musste selbst beim Bäcker meine Groschen zusammenzählen und gut überlegt jeden Wocheneinkauf planen, damit das Geld reicht. Insofern bin ich jetzt schon reich.
Ich möchte definitv ein passives Einkommen generieren, dass ich dann entweder direkt anlege um einen großen Kapitalstock aufzubauen und dann später mit Mitte/Ende 50 als Einkommen nutzen möchte, um kürzer treten zu können.
Ich wünsche euch allen viel Erfolg bei der Umsetzung eurer Ziele!

Antworten
14. Februar 2022 21:02 - (Clemens) The Dividend Post  

Lieber Jens,

das ist eine wirklich demütige Haltung, die Du an den Tag legst. Du hast Dein Warum für Dich definiert und um nichts anderes geht es meiner bescheidenen Meinung nach.

Ich denke, so lebt es sich deutlich entspannter. Die von Dir angeführten Beispiele von Astra, Unternehmertum, etc. sind ja genau diese oberflächlichen Artifakte unserer Vergleichsgesellschaft. Die Leute kaprizieren sich auf diese Dinge und denken dabei einen validen, allgemeingültigen Vergleichsmaßstab zu definieren, mit dem sich alles schön in die Schubladen einsortieren lässt.

Mir ging es in meiner jungen Zeit nicht anders, das Geld war zu knapp. Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben. Doch haben sich die Zeiten deutlich gebessert und unsere Familie muss an nichts mangeln.

Alles Gute und liebe Grüße,
Clemens

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