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Geldgeschichte(n): Der US-Handelskrieg der 1930er-Jahre – Folge 26

Autor: The Dividend Post (Clemens)
13 Juni 2025

Gemeinsam mit Luis Pazos vereinen wir – mitunter als Beitrag zur Förderung der deutsch-österreichischen Verständigung – die zwei schönsten Nebensachen der Welt, nämlich Geld und Geschichte, miteinander und reisen dafür einmal monatlich zurück in die Finanz-Zukunft. In der 26. Folge der Geldgeschichten nehmen wir uns erneut das Thema Zölle vor – und zwar mit besonderem Blick auf die US-Zollpolitik der 1930er Jahre. Gemeinsam mit Prof. Kirsten Wandschneider, Expertin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, tauchen wir tief in die Hintergründe, Motive und Folgen des berüchtigten Smoot-Hawley-Tariffs ein. Was heute wie eine ferne Episode wirkt, hat erstaunlich viel mit den aktuellen Debatten um Handelsbeschränkungen und internationale Machtverschiebungen zu tun. Dieser Beitrag beleuchtet, wie Zölle nicht nur die Weltwirtschaft prägen, sondern auch, welche Lehren wir für die Gegenwart ziehen können.


Die Motive hinter Zöllen: Von Einnahmen bis Machtpolitik

Zölle sind kein Phänomen der Neuzeit, sondern begleiten den Handel seit der Antike. In den USA lassen sich drei zentrale Motive identifizieren, warum Zölle eingeführt werden: Einnahmen für den Staat, Regulierung der Einfuhr und wechselseitige Zollpolitik als Instrument der Außenpolitik. Nach der Staatsgründung der USA stand zunächst das fiskalische Motiv im Vordergrund – Zölle sollten helfen, die Schulden des Unabhängigkeitskriegs zu begleichen. Mit dem Bürgerkrieg verschob sich das politische Gleichgewicht: Republikaner, vor allem im Norden und Mittleren Westen, setzten sich für höhere Zölle ein, um die heimische Industrie zu schützen. Demokraten aus den Südstaaten lehnten Zölle ab, da sie ihre Exportwirtschaft bedroht sahen. Diese politische Polarisierung prägte die US-Handelspolitik bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.

Die Zwischenkriegszeit: Boom, Krise und die Rolle der Zölle

Die 1920er Jahre waren für die USA ein Jahrzehnt des wirtschaftlichen Aufschwungs. Das Pro-Kopf-Einkommen stieg um rund 30 Prozent, neue Technologien wie das Auto und das Radio veränderten den Alltag, und die USA etablierten sich als wichtiger Kreditgeber der westlichen Welt. Doch das Wachstum war ungleich verteilt: Die Landwirtschaft litt unter sinkenden Preisen und hoher Verschuldung. In dieser Situation drängten Lobbygruppen aus dem Agrarsektor auf Schutzmaßnahmen. Der Smoot-Hawley-Tariff, benannt nach den beiden republikanischen Abgeordneten, wurde schon 1929 im Kongress diskutiert – also noch vor dem Börsencrash und dem Beginn der Großen Depression. Das Gesetz sah über 9000 verschiedene Zölle auf mehr als 20.000 Produkte vor und erhöhte die durchschnittlichen US-Importzölle von 39 auf 45 Prozent. Die politische Debatte war von intensivem Lobbyismus geprägt, während die Interessen von Konsumenten und Exporteuren nur schwach vertreten waren.

Internationale Reaktionen und die Eskalation des Konflikts

Der Smoot-Hawley-Tariff löste weltweit Proteste aus. Bereits während der parlamentarischen Debatten legten über 35 Länder offizielle Beschwerden ein. Besonders betroffen waren Exporteure aus Europa – etwa Wiener Schuhmanufakturen, die traditionell viel in die USA lieferten. Nach Inkrafttreten des Gesetzes reagierten zahlreiche Länder mit Vergeltungszöllen. Frankreich etwa führte Gewichtszölle für Autos ein, um gezielt US-Exporte zu treffen. Die Folge war ein dramatischer Einbruch des Welthandels: Insgesamt sank das Handelsvolumen um über 60 Prozent. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass etwa ein Fünftel dieses Rückgangs direkt auf die Vergeltungsmaßnahmen zurückzuführen ist. Besonders stark betroffen waren Branchen wie die US-Automobilindustrie, deren Exporte in Länder mit Vergeltungszöllen um bis zu 40 Prozent einbrachen.

Politische Reaktionen und multilateralen Abkommen

Die ökonomischen und sozialen Auswirkungen des Smoot-Hawley-Tariffs waren verheerend. Die USA erlebten eine schwere Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit und Deflation. Die Zölle verschärften die Situation zusätzlich, da sie die Preise für Importgüter erhöhten und damit die Kaufkraft weiter schwächten. Die politische Reaktion folgte prompt: 1932 verloren die Republikaner die Präsidentschaftswahl, und Roosevelt übernahm das Amt. Er setzte auf eine neue Handelspolitik, die nicht mehr auf einseitige Zölle, sondern auf bilaterale und multilaterale Abkommen setzte. Die sogenannten Reciprocal Trade Agreements Acts markierten den Beginn einer neuen Ära, in der die USA und ihre Handelspartner gemeinsam Zölle senkten und eine neue Grundlage für den Welthandel schufen. Diese Entwicklung mündete schließlich in die Gründung des GATT und später der WTO.

Fazit: Lehren aus der Geschichte für die Gegenwart

Die Geschichte des Smoot-Hawley-Tariffs zeigt, wie schnell Handelskonflikte eskalieren und welche dramatischen Folgen sie für die Weltwirtschaft haben können. Die Annahme, dass Vergeltungsmaßnahmen ausbleiben, hat sich als fataler Irrtum erwiesen – damals wie heute. Zölle schaffen Gewinner und Verlierer, aber die Kosten einer Abschottung sind für alle Beteiligten hoch. Die Erfahrungen der 1930er Jahre unterstreichen die Bedeutung internationaler Kooperation und stabiler Handelsregeln. Wer heute über Zölle und Handelsbeschränkungen diskutiert, sollte sich bewusst machen: Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Wer mehr über das Thema erfahren möchte, findet in den Werken von Douglas Irwin und den aktuellen Forschungsarbeiten von Prof. Kirsten Wandschneider wertvolle Anregungen und Einblicke.


Medienempfehlungen

Bei dieser Folge der Geldgeschichte haben wir uns unter anderem auf folgende Quellen gestützt, die wir zur Erweiterung beziehungsweise Vertiefung des jeweiligen Themenschwerpunkts empfehlen können:

Immer einen musikalischen Abstecher wert ist zudem die Playlist der Geldgeschichte(n) auf Spotify, welche alle Musikstücke umfasst, auf die wir bisher in unserem Format referenziert haben! Ferner verweisen wir an der Stelle auf das Musikvideo Keynes vs. Hayek: The Original Economics Rap Battle, welches unser Gast zum Ende des Gesprächs empfohlen hat.

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Podcast im Videoformat

Das Video kombiniert die Tonspur des Podcasts mit dem Titelbild der Folge und richtet sich an all diejenigen, die sich auch Audiobeiträge bevorzugt über die Plattform YouTube anhören. Zu den Inhalten, einschließlich Zeitmarken:

  • 0:00:00 Einführung: Zölle als Thema und Vorstellung des Gastes
  • 0:01:52 Kirsten Wandschneider über ihre Forschungsschwerpunkte
  • 0:03:00 Warum Geschichte der Zollpolitik heute relevant ist
  • 0:04:43 Die drei Hauptmotive für Zölle laut Doug Irwin
  • 0:06:00 Zölle in der US-Geschichte: Von Einnahmen zu Politik
  • 0:07:42 Protektionismus der Republikaner vs. Freihandel der Demokraten
  • 0:09:40 Forschungsprojekt zum Smoot-Hawley-Tarif vorgestellt
  • 0:11:00 Zölle vor 1930: Erste protektionistische Wellen
  • 0:13:00 Wirtschaftliche Ausgangslage in den USA der 1920er
  • 0:14:45 Globale Verflechtungen: Die USA als Kreditgeber Europas
  • 0:16:30 Der Börsencrash 1929 und erste Missverständnisse
  • 0:17:50 Was wirklich hinter dem Smoot-Hawley-Tarif steckt
  • 0:19:20 Agrarkrise als zentrales Motiv für Zollerhöhungen
  • 0:22:00 Lobbyismus und politische Machtverhältnisse
  • 0:24:40 Internationale Reaktionen: Proteste und Vergeltung
  • 0:27:00 Auswirkungen auf US-Exporte und konkrete Branchen
  • 0:29:10 Der Rückgang des Welthandels – wie viel war Smoot-Hawley?
  • 0:32:30 Soziale Folgen schwer messbar, aber wirtschaftlich dramatisch
  • 0:34:00 Roosevelt und der politische Kurswechsel nach 1933
  • 0:36:00 Rücknahme durch die Reciprocal Tariff Acts
  • 0:38:30 Lehren für heute: Protektionismus und globale Reaktionen

Für Feedback zu diesem Format sind wir sehr dankbar. Für Ideen, Ergänzungen und sonstige Anregungen lasst es uns einfach in den Kommentaren wissen oder schreibt uns eine Email.



Wie ist eure Meinung zur 26. Podcast-Folge? Ich freue mich auf eure Kommentare.

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