Autor: The Dividend Post (Clemens)
13 Juni 2025
Zölle sind kein Phänomen der Neuzeit, sondern begleiten den Handel seit der Antike. In den USA lassen sich drei zentrale Motive identifizieren, warum Zölle eingeführt werden: Einnahmen für den Staat, Regulierung der Einfuhr und wechselseitige Zollpolitik als Instrument der Außenpolitik. Nach der Staatsgründung der USA stand zunächst das fiskalische Motiv im Vordergrund – Zölle sollten helfen, die Schulden des Unabhängigkeitskriegs zu begleichen. Mit dem Bürgerkrieg verschob sich das politische Gleichgewicht: Republikaner, vor allem im Norden und Mittleren Westen, setzten sich für höhere Zölle ein, um die heimische Industrie zu schützen. Demokraten aus den Südstaaten lehnten Zölle ab, da sie ihre Exportwirtschaft bedroht sahen. Diese politische Polarisierung prägte die US-Handelspolitik bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.
Die 1920er Jahre waren für die USA ein Jahrzehnt des wirtschaftlichen Aufschwungs. Das Pro-Kopf-Einkommen stieg um rund 30 Prozent, neue Technologien wie das Auto und das Radio veränderten den Alltag, und die USA etablierten sich als wichtiger Kreditgeber der westlichen Welt. Doch das Wachstum war ungleich verteilt: Die Landwirtschaft litt unter sinkenden Preisen und hoher Verschuldung. In dieser Situation drängten Lobbygruppen aus dem Agrarsektor auf Schutzmaßnahmen. Der Smoot-Hawley-Tariff, benannt nach den beiden republikanischen Abgeordneten, wurde schon 1929 im Kongress diskutiert – also noch vor dem Börsencrash und dem Beginn der Großen Depression. Das Gesetz sah über 9000 verschiedene Zölle auf mehr als 20.000 Produkte vor und erhöhte die durchschnittlichen US-Importzölle von 39 auf 45 Prozent. Die politische Debatte war von intensivem Lobbyismus geprägt, während die Interessen von Konsumenten und Exporteuren nur schwach vertreten waren.
Der Smoot-Hawley-Tariff löste weltweit Proteste aus. Bereits während der parlamentarischen Debatten legten über 35 Länder offizielle Beschwerden ein. Besonders betroffen waren Exporteure aus Europa – etwa Wiener Schuhmanufakturen, die traditionell viel in die USA lieferten. Nach Inkrafttreten des Gesetzes reagierten zahlreiche Länder mit Vergeltungszöllen. Frankreich etwa führte Gewichtszölle für Autos ein, um gezielt US-Exporte zu treffen. Die Folge war ein dramatischer Einbruch des Welthandels: Insgesamt sank das Handelsvolumen um über 60 Prozent. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass etwa ein Fünftel dieses Rückgangs direkt auf die Vergeltungsmaßnahmen zurückzuführen ist. Besonders stark betroffen waren Branchen wie die US-Automobilindustrie, deren Exporte in Länder mit Vergeltungszöllen um bis zu 40 Prozent einbrachen.
Die ökonomischen und sozialen Auswirkungen des Smoot-Hawley-Tariffs waren verheerend. Die USA erlebten eine schwere Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit und Deflation. Die Zölle verschärften die Situation zusätzlich, da sie die Preise für Importgüter erhöhten und damit die Kaufkraft weiter schwächten. Die politische Reaktion folgte prompt: 1932 verloren die Republikaner die Präsidentschaftswahl, und Roosevelt übernahm das Amt. Er setzte auf eine neue Handelspolitik, die nicht mehr auf einseitige Zölle, sondern auf bilaterale und multilaterale Abkommen setzte. Die sogenannten Reciprocal Trade Agreements Acts markierten den Beginn einer neuen Ära, in der die USA und ihre Handelspartner gemeinsam Zölle senkten und eine neue Grundlage für den Welthandel schufen. Diese Entwicklung mündete schließlich in die Gründung des GATT und später der WTO.
Die Geschichte des Smoot-Hawley-Tariffs zeigt, wie schnell Handelskonflikte eskalieren und welche dramatischen Folgen sie für die Weltwirtschaft haben können. Die Annahme, dass Vergeltungsmaßnahmen ausbleiben, hat sich als fataler Irrtum erwiesen – damals wie heute. Zölle schaffen Gewinner und Verlierer, aber die Kosten einer Abschottung sind für alle Beteiligten hoch. Die Erfahrungen der 1930er Jahre unterstreichen die Bedeutung internationaler Kooperation und stabiler Handelsregeln. Wer heute über Zölle und Handelsbeschränkungen diskutiert, sollte sich bewusst machen: Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Wer mehr über das Thema erfahren möchte, findet in den Werken von Douglas Irwin und den aktuellen Forschungsarbeiten von Prof. Kirsten Wandschneider wertvolle Anregungen und Einblicke.
Bei dieser Folge der Geldgeschichte haben wir uns unter anderem auf folgende Quellen gestützt, die wir zur Erweiterung beziehungsweise Vertiefung des jeweiligen Themenschwerpunkts empfehlen können:
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