Autor: The Dividend Post (Clemens)
26 November 2022
Beginnen wir mit dem sperrigen Begriff „Kontext“. Was soll das denn bitte konkret bedeuten und warum spielt das beim Investieren eine Rolle? Eine Definition, die mir gefällt, lautet wie folgt: Kontext bezeichnet generell den Zusammenhang, in dem eine Äußerung, eine Handlung oder generell ein Signal zu verstehen ist. Andersrum formuliert: in jeder Aktivität zu einem bestimmten Zeitpunkt wird der persönlichen Situation und individuellen Persönlichkeit entsprechend Rechnung getragen. Es gilt über das Verständnis des persönlichen Kontexts sich bewusst zu sein.
Die Analyse der gegenwärtigen Situation und das Bilden von zukünftigen Szenarien, wohin sich das Leben halt so hin entwickeln könnte, sind keine akademische Herausforderungen. Besonders im Zusammenspiel mit dem näheren Umfeld ergeben sich etwaige Konstellationen, die sich einer näheren Betrachtung würdig erweisen. Die Menschen, die einem umgeben, können einen beträchtlichen Einfluss auf die eigenen Entscheidungen auf und abseits der Börse haben.
Der persönlicher Kontext steht eng in Verbindung mit sozialen Systemen. Isoliert betrachtet mögen Entscheidungen auf rein rationaler Basis anders getroffen werden, als wenn das individuelle Umfeld als ein gewichteter Faktor in die Formel zur Entscheidungsfindung einkalkuliert wird. Das bedeutet nicht, dass der Freiraum für die Gestaltung der Investmentstrategie nun im Vorhinein von ein- oder mehrseitigen Abhängigkeitsverhältnissen dominiert sein muss. Gleichzeitig erscheint es mir als ein nicht selten verbreiteter Irrglaube, dass alle unsere Entscheidungen aus einer vollen Autonomie heraus getroffen werden können, unabhängig davon was sich außerhalb der eigenen Blase abspielt. Mit zunehmenden Alter und dem Erleben neuer Rollen im Leben (Stichwort Familiengründung) setzte sich dieser Gedanke in meiner Denkhaltung zumindest fest.
Aus einer Binnensicht – und das meine ich dediziert so ohne jemanden einen Vorwurf zu machen– erscheint uns die Welt manchmal so, wie wir sie uns gerne nach unseren Vorstellungen wünschen würden. Eine angenehme Trübung der wahrgenommen Wirklichkeit (besser bekannt alskognitive Dissonanz). Aus meiner beruflichen Erfahrung im Projektgeschäft hat sich hier das mit bitterer Ironie beladene (Selbst-)Bild zum – oftmals misslungenen – Management von Projekten eingebrannt:
Quelle: Boston University
Es bringt den Kern der Sache gut auf den Punkt. Nicht von ungefähr hat sich im Kreis von Projekten das Instrument der sogenannten Projektumfeldanalyse oder im Neudeutschen „Stakeholder Map“ als effiziente Methode erwiesen, um mit der Komplexität von sozialen Beziehungen einen annehmbaren, weil strukturierten Umgang zu finden. Dieses Hilfsmittel verschafft einen angemessenen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus und illustriert die unterschiedlichen Interdependenzen im Projektumfeld. Umgemünzt auf mein Leben als Investor macht es womöglich Sinn, sich bewusst Überlegungen über das eigene (Lebens-)Umfeld zu machen.
Quelle: www.dieprojektmanager.com
Bei der Analyse und bestenfalls Darstellung dieser Ist-Situation könn(t)en folgende Fragestellungen bzw. die Antworten darauf auf die eigene Meinungsbildung im Rahmen der Entscheidungsfindung nachhaltig einwirken. Hier ein kursorischer Einblick zu einigen Fragen, die dem persönlichen Kontext und Rahmenbedingungen auf den Grund gehen und deren Antworten als Ausgangspunkt für das Erstellen des Regelwerks dienen können:
Ohne umfassender Kenntnis dieser und weiterer Parameter wäre es zu einem gewissen Grad fahrlässig, eine langfristig-orientierte Investmentstrategie zu verfolgen, sollten diese Faktoren einen signifikanten Einfluss auf den Vermögensaufbau einnehmen. Den Freiraum für die Gestaltung einer auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichteten Strategie braucht meines Erachtens unbedingt eine seriöse Betrachtung von kontextualisierten Faktoren. Ein tieferes Verständnis und das Bewusstsein über die wesentlichen Umfeldbedingungen auf sozialer wie inhaltlich-sachlicher Ebene nehmen einen zentralen Rang ein. Dies gilt selbstverständlich auch für das Dividend Growth Investing.
Als jemand, der sich vorwiegend auf das Investieren in Unternehmen mit wachsenden Dividenden fokussiert, spielt der Faktor der langfristigen Kapitalbindung eine essentielle Rolle. Dennoch bleiben die Offenheit und Flexibilität für erforderliche Anpassungen, keine vorgefertigte Meinung über die vermeintliche Ewigkeit des Ist-Zustandes sowie ein weites Investitionsspektrum mit dem Ziel einer breiten Diversifikation als Basisanforderungen bestehen. Die Analyse des Kontextes unterliegt zum Zeitpunkt der Erstellung einer Momentaufnahme, die regelmäßige Überprüfung auf Gültigkeit empfiehlt sich notwendigerweise im Auge zu behalten.
Dieser Beitrag ist betont subjektiv gehalten, da es bei der sorgfältigen Analyse des persönlichen Kontexts und der Umweltbeziehungen schlichtweg kein „richtig“ oder „falsch“ gibt. Wenn irgendwelche Leute pauschalisierend von „so wird das gemacht“ ihre eigene Erfahrungen kundtun, sollte stets die individuelle Vorstellung im Hinterkopf behalten werden. Nur weil es für eine Person passt, muss sich derselbe Weg auch nicht für einen selbst als der Königsweg erweisen. Und auch das gilt selbstverständlicherweise für das Dividend Growth Investing.